Die Wachau und der heilige Severin - eine erfolgreiche Spurensuche. Wo stand die Rugierburg und was bedeutet der Name Wachau?
In diesem Buch klärt Inge Resch-Rauter zweifelsfrei, wo die rugische Königsburg stand, wo sich das Severingrab bis 1982 befand und woher die Wachau ihren Namen hat. Weiters, dass in der Völkerwanderungszeit das Gebiet der Wachau völlig unberührt geblieben ist, infolge des riesigen Urwaldgebietes nördlich der Donau (Waldviertel, Mühlviertel, Böhmerwald, bayrischer Wald)
gebundene, wesentlich erweiterte 2. Auflage, 2005
184 Seiten, 16 Seiten Farbbilder, zahlreiche Stiche und Textbilder
TELETOOL EDITION: ISBN/EAN 978-3-9500-1672-7, lagernd und sofort lieferbar
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Kurz-Info, Inhaltsverzeichnis und Leseprobe
Die Wachau, der kleine romantische Abschnitt an der Donau mit seiner uralten Tradition, war immer begehrtes Siedelland. Die ältesten Artefakte der Welt stammen von hier. Ihr Alter wird mit 30.000 Jahren angenommen.
Aus diesem kleinen lokalen Bereich liegt ein Bericht eines Zeitgenossen der Völkerwanderung vor: die Lebensbeschreibung des heiligen Severin, geschrieben von seinem Schüler Eugippius. Aber war Severin überhaupt ein Heiliger? Aus der Vita geht hervor, dass er eine ranghohe politische Persönlichkeit war, deren Rat mehrere germanische Könige einholten. Nach unseren heutigen Begriffsbestimmungen war er römischer Verwaltungsbeamter - eine Art Hochkommissar - für den Bereich von Ufer-Noricum.
Was sich zur Zeit der Völkerwanderung abspielte, schildert Eugippius in seinem Bericht.
Nördlich der Donau befand sich ein riesiges Waldgebiet, welches das österreichische Wald- und Mühlviertel, den Bayrischen Wald und den Böhmerwald umfaßte. Dieser ganze riesige, über Hunderte Kilometer sich erstreckende Waldbereich blieb vom europäischen Völkergeschiebe verschont. KEINER der wandernden Stämme konnte durch dieses Urwaldgebiet ziehen, ebenso wenig reitende Steppenvölker. Es war praktisch wegelos, bot keine Nahrung und stellte vielmehr ein risikoreiches Hindernis dar. Außerdem war es von tiefen, schroffen Tälern durchzogen, wie dem Kamptal, Kremstal, Weitental, Yspertal, den Tälern der großen und kleinen Mühl, der Ilz usw.. "Boierwüste" war der antike Name dieses großteils ungerodeten Waldgebietes (mit DESERTUM, Wüste, wurde das ungerodete Urwaldgebiet bezeichnet und nicht - wie allgemein angenommen wird - ein verbranntes, zerstörtes Gebiet).
Darin aber saßen seit langem freie, wehrhafte (Adels)Bauern, deren keltische Bezeichnung BOII (Boier) lautete, die das Land, das sie benötigten, dem Wald abgerungen hatten. Sie waren Herren auf eigenem Grund und Boden, mit ihrer Heimat sehr vertraut und konnten in Frieden dort leben - und sie leben noch heute dort! Sie sind nicht nur in den zähen Wald- und Mühlviertler Bauern zu finden, sie haben auch ihren Namen tradiert: die Bayern (BOIER) und Böhmen (BOI-MANNI) tragen ihn weiterhin!
Die Sprache hält dies fest. Auf einfache Weise kann aus Orts- und Flurnamen die Situation zur damaligen Zeit abgeleitet werden. Das langjährige Rätselraten der Historiker und Archäologen um die Herkunft der Bayern erscheint beinahe befremdend.
- Wachau, uraltes Kulturland
- Der heilige Severin und die Freien von Raxendorf
- Ranna-Grie, das Kernland der "Wach-Au"
- Zum Abschluß: die Rodung von Zwettl - ein Sonderfall?
- Anhang. Wer war Eugippius, der Autor von Severins Lebensbeschreibung?
Die "Freien von Raxendorf"
Am Anfang soll eine in der Wachau und den umliegenden Gebieten weit verbreitete Sage angeführt werden, die das Gebiet rund um Raxendorf betrifft, das im Tal nörlich des Jauerling liegt:
Die Sage von Afterbach (nach Plöckingers "Wachausagen")
Im Verlauf einer großen Schlacht beim sogenannten "Toten Mann", bei der es viele Tote gab, rettete der von seinen Verfolgern gehetzte Herzog nur dadurch sein Leben, daß er in einem Stalle im Wagnerschen Haus zu Afterbach in die Futterkrippe gesprungen sei. Die Bäurin bedeckte den Verfolgten schnell mit Gras, so daß die nachfolgenden Feinde, die den Ort und das Haus durchstöberten, als sie die Kuh ungescheut vom Gras fressen sahen, den Herzog nicht unter dem Futter vermuteten und wieder abzogen. Da sie sich im Ort einquartierten, war an ein Verbleiben im Versteck nicht zu denken. Darum führte der Bauer den Flüchtling unter einer Fuhre Mist versteckt aus dem Haus und brachte ihn zur Kaiserwand im Rothensteinerwald, wo eine Höhle ist, die er als Versteck benutzte. Die Raxendorfer, von der Bäurin über das traurige Schicksal des Landesherrn benachrichtigt, brachten ihm aus Mitleid bis zu dessen Befreiung Essen in sein sicheres Versteck. Nach Abzug der Feinde reiste der Fürst nach Wien und erhob Raxendorf zum Markt und gab ihm viele Rechte.
Mit dieser Ursprungsage wurden die außergewöhnlichen und überaus archaisch anmutenden Rechte, die die Raxendorfer und mit ihnen die Bewohner einiger kleiner Dörfer an den Talhängen des Jauerling und des Ostrong erhielten, begründet: Diese Freibauern hatten die eigene Blutgerichtsbarkeit: drei von ihnen konnten einen Verbrecher oder Beleidiger zum Tode verurteilen und sofort das Urteil vollstrecken, es sei denn, er kaufte sich "mit einem Schild voll Gold" frei. Sie hatten Hoch- und Niedergerichtsbarkeit und freie Richterwahl; sie hatten Zoll- und Mautfreiheit im Lande Österreich; den Wildbann; das Stiften und Stören; freies Eigentum; weiters das Asylrecht... Und wenn ein Raxendorfer bei Hof erschien, mußten die Pferde des Herzogs aus dem Stall geführt werden, damit man die Pferde des Raxendorfers hineinstellen konnte, welche mit Heu und Futter nach Bedarf kostenlos versorgt werden mußten.
Sagen berichten immer die Wahrheit, aber sie kümmern sich nicht um die Zeit. Sie halten Begeben-heiten über Jahrhunderte getreulich fest, als wenn sie gestern geschehen wären. Sie sind mündlich tradierte Geschichte aus dem Blickwinkel des Volkes.
So erhebt sich sofort die Frage: In welch dunklen Zeiten, aus denen keine schriftliche Überlieferung vorhanden ist, hat sich der Vorfall abgespielt, der die Bewohner eines großen Landstriches heraushob? Wann können diese eigenartigen Privilegien erstmals erteilt worden sein? Welcher Herzog ist wodurch in die lebensbedrohende Situation geraten? Und: flüchtete er aus der Kriegsgefahr heimzu, da doch die Bäurin ihn sogleich als Fürst erkannt hat? Ein Fürst, der in ein Bauernhaus stürzt und sich im Mistwagen wegtransportieren läßt - das kann nur in frühester Bauernkultur möglich gewesen sein, als der Standesunterschied zwischen Herrscher und Freibauer noch nicht so groß war, der König vielleicht "primus inter pares" gewesen ist und beide einen "Hof" hatten. Und wann konnte "ein Schild voll Gold" - eine ungeheure Menge, die wohl nur ein König oder sehr reicher Fürst aufbringen konnte - eine Rolle gespielt haben?....
Die erste Nennung von Raxendorf lautete "in vallem dictas RECHSEN" also "im Königstal". Das muß wohl zu denken geben: Raxendorf war demnach der Sitz eines Königs. Auch die weiteren Nennungen Rekksemdorf, Raechsendorf, Raehsendorf - ein eideutiges REX - weisen auf einen königlichen Ansitz hin! Welcher König konnte aber hier in Raxendorf einstmals seine Residenz gehabt haben? ...
In dieser Talschaft sind viele keltische Orts- und Flurnamen vorhanden, die sehr deutlich die Verteidigungs- und Sicherungsmaßnahmen, die Feuerzeichen- und Signalplätze erkennen lassen, die alten Kultbereiche (mit dem einheimischen Mutterkult, nämlich der Bethenmutter-Trinität) aufzeigen, ihre Thingstätten (keltisch TOTA MAGOS = Volksfeld, jetzt "Toter Mann" genannt) sowie die alten Straßenläufe bekannt geben, die frühere Bergwerksnutzung in den Namen festhalten und auch zeigen, wo die laufenden und für Siedlungen ungeeigneten Hänge sind (was heute kaum mehr beachtet wird).
Durch falsche Interpretation der Orts- und Flurnamen über die slawische und deutsche Sprache waren die Historiker bisher zu Hilfskonstruktionen gezwungen. Immer wieder mußten Slawen in die Besied-lungsgeschichte eingeschoben und daraus wieder entfernt werden. Tatsächlich aber ergeben die keltischen Flurnamen ein klares Siedlungskontinuum ab der Zeitenwende. Schon Pittioni ("Die urzeitliche Kulturentwicklung auf dem Boden des Waldviertels") wies auf die Fundleere in Bezug auf Slawen im Waldviertel hin und meinte wegen der ebenfalls fehlenden Siedlungsnachweise, daß die Slawen wohl die bereits bestehenden Orte benutzt hätten! Adalbert Klaar ("Siedlungsformen") beschreibt "regellose Blöcke" als älteste Siedlungsbereiche, die in diesem Gebiet überall anzutreffen sind und deren Beginn nicht auszuloten ist.
Nun komme ich auf Severin zurück, der mit den Rugiern in ständigem Kontakt war: ich nehme an, daß Raxendorf der Stammsitz des Rugier-Königs war. Wenn dort die Rugierburg stand, so hatte dieser königliche Herrschaftsbereich selbstverständlich seine eigenen Rechte, die von späteren Landnehmern anerkannt worden sein mußten.
Nach dem Tod des Hunnenkönigs Attila im Jahr 453 und den Thronstreitigkeiten unter seinen Söhnen war eine blutige Spur durch Ufer-Noricum verlaufen und hatte große Unsicherheit gebracht. Um diese Zeit waren die Ostgoten aus Pannonien abgezogen und die Langobarden ins Weinviertel gekommen, von wo sie die Rugier vertrieben, die sich weiter westlich nördlich der Donau ansiedelten und denen die norischen Ufersiedlungen am rechten Donauufer bald tributpflichtig wurden.
Die Rugier werden von den Historikern als Germanen gesehen. Aber waren sie das? Sie waren "Barbaren" , schreibt Eugippius, Einheimische, mit ihren für einen Römer unverständlichen Denkweisen und Gepflogenheiten: waren sie nicht vielmehr Kelten (oder zumindest stark keltisiert), deren Stämme nördlich und südlich der Donau ansässig waren? Ihre riesigen Gräberfelder sind im niederösterrei-chischen Bereich zwischen Sankt Pölten und Krems (an der S 33) in solch ungeheurer Menge ergraben worden, wie sie sonst nirgends in Europa vorhanden sind. Am Donauufer wohnten zur Zeit Severins ebenfalls Kelten: keine Römer, sondern romanisierte Einheimische bildeten die Grenzbevölkerung. ...